Blitz-Tage in und um Mannheim
Gemeinsam für gute Einkommen, Arbeits- und Lebensbedingungen
Vom 14. bis 16. Mai 2019 fand in 16 Betrieben im Gebiet der IG Metall Mannheim ein sogenannter „Blitz“ statt, bei dem in kurzer Zeit möglichst viele Beschäftigte angesprochen, zu den wichtigsten Themen in ihrem Betrieb informiert und an der Umsetzung von Verbesserungen beteiligt werden.
Über 200 haupt- und ehrenamtliche Metallerinnen und Metaller aus ganz Baden-Württemberg waren im Einsatz. 4150 Kontakte zu Beschäftigten in den Betrieben konnten generiert werden, insgesamt 2240 Menschen nahmen an den verschiedenen Formen des gewerkschaftlichen Organizings wie Betriebsrats-Sprechstunden, Beratungsgesprächen über Eingruppierung und weitere tarifvertragliche Fragestellungen, Flugblatt-Aktionen vor dem Werkstor, kreativ gestaltete Mittagspausen sowie Betriebsrundgängen teil.
Über 100 Kolleginnen und Kollegen konnten an den drei Tagen davon überzeugt werden, Mitglied der IG Metall zu werden. Von Mannheims größtem Arbeitgeber, dem Benz, mit mehr als 8500 Beschäftigten bis hin zum kleinen Industrielogistiker. Betriebsräte, Vertrauensleute und Aktive aus den Betrieben hatten die Aktionstage seit Jahresbeginn gemeinsam geplant und vorbereitet. Die Beteiligung war enorm, die Stimmung super, der Tenor eindeutig: Gemeinsam können wir unsere Einkommen, Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern. Wenn viele an einem Strang ziehen, vervielfachen wir unsere Kraft.
Bildergalerie zum Blitz in und um MannheimRhenus-Belegschaft steht zusammen
Beim Kontraktlogistiker Rhenus in Mannheim organisiert sich die Belegschaft – Ziel ist ein Tarifvertrag
Einen großen Schritt in Richtung Tarif machten während der Mannheimer „Blitz-Tage“ auch die knapp 200 Beschäftigten von Rhenus Logistics im Süden von Mannheim. Um ihre Forderungen nach fairen Lohn- und Arbeitsbedingungen zu unterstreichen, versammelten sich am 15. und 16. Mai die Beschäftigten von zwei Schichten in ihren Pausen vor dem Tor. Der Metaller und Betriebsrat Reshat Krasniqi brachte die Botschaft bei einer dieser „Aktiven Pausen“ unmissverständlich auf den Punkt: „Wir wollen anständige Löhne, dafür organisieren wir uns und stehen zusammen!“

Der bundesweit operierende Kontraktlogistiker Rhenus hat in Mannheim gut 200 Beschäftigte, davon 60 Leiharbeiter. Einziger Großkunde in Mannheim ist John Deere. Rhenus kam ins Spiel, als der Traktorenhersteller vor ein paar Jahren seine Logistik ausgliederte – zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen. Einen Tarifvertrag gibt es bei Rhenus in Mannheim nicht, viele Beschäftigte bekommen kaum mehr als den Mindestlohn.
„Irgendwann haben wir gesagt, entweder, wir bekommen mehr Geld oder wir gehen zur IG Metall“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Gabriel Zsilovics, der selbst noch bei John Deere gearbeitet hat und als einer der „Alt-Outgesourcten“ den Unterschied zwischen Stamm- und Randbelegschaft am eigenen Leib erlebt hat. So kam Ende letzten Jahres der Kontakt zur IG Metall-Geschäftsstelle Mannheim zustande. „Und die haben uns klargemacht, dass wir uns organisieren müssen.“
Das taten sie dann auch, mit Unterstützung der Geschäftsstelle. In erster Linie aber durch die Initiative des kleinen Aktivenkerns. „Ich bin durch den Betrieb gezogen und habe Leute angesprochen“, erzählt Gabriel. „Die meisten sind sofort eingetreten. Die musste ich nicht groß überzeugen, die wollten was machen.“
Mit ihrer Unterschrift auf einem Transparent schickten sie der Geschäftsführung jetzt noch mal eine klare Botschaft: Bei Rhenus muss ein Tarifvertrag her!

Bei anderen Kontraktlogistikern im Gebiet der Geschäftsstelle Mannheim ist dies in den letzten Jahren auch gelungen – zum Beispiel bei Transco (jetzt Pfenning). Mittlerweile sind die meisten Rhenus-Beschäftigten in der IG Metall organisiert, eine große Mehrheit hat sich in offener Abstimmung hinter die Forderung nach einem Tarifvertrag gestellt. „Wenn wir so weitermachen“, sagt Betriebsrat Krasniqi, „dann werden wir es auch schaffen.“
Gemeinsam für den T-ZUG
Bei ART in Hockenheim haben es Aktive und Betriebsrat geschafft, einen wichtigen Schritt in Richtung Flächentarifvertrag zu gehen. Zuvor steigerten sie den Organisationsgrad von 35 auf 60 Prozent.
Der T-ZUG kommt auch bei ART! Anfang Mai 2019 löste diese Nachricht bei den 120 Beschäftigten des Hockenheimer Schaltschrankherstellers Begeisterung aus. Für sie war es ein Stück Gerechtigkeit und Anerkennung, das sie sich gemeinsam erkämpft hatten.

Als im Februar 2018 das sogenannte „Tarifliche Zusatzgeld“ (T-ZUG) und die Wahloption auf zusätzliche freie Tage für bestimmte Beschäftigtengruppen für die Metall- und Elektroindustrie vereinbart wurden, blieb ART außen vor. Denn das Unternehmen war 2012 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. „Für uns war das damals ein Weckruf“, sagt Petra Drescher, Betriebsratsvorsitzende bei ART Hockenheim. Gemeinsam mit der IG Metall-Geschäftsstelle Mannheim schaffte man es, den Arbeitgeber zu einem Haustarifvertrag zu bewegen. Dieser orientierte sich zwar am Entgelt-Rahmenabkommen (ERA) von IG Metall und Gesamtmetall, allerdings mussten die Beschäftigte Abstriche beim Entgelt machen. Und: Die Abschlüsse der Fläche wurden künftig nicht mehr automatisch übernommen. Der T-ZUG fuhr 2018 insofern zunächst an ART vorbei.
Also bat man die örtliche IG Metall um Unterstützung. Die machte klar: Unterstützung würde es geben, aber nur, wenn sich bei ART selbst etwas bewegt. Dort lag der Organisationsgrad Mitte 2018 bei rund 35 Prozent – zu wenig, um eine Vereinbarung zum T-ZUG durchzusetzen.
„Wir mussten also in die Gänge kommen, um mehr zu werden“
„Man muss zugeben, dass die Aktivität bei uns ein bisschen eingeschlafen war. Aber schließlich haben wir es geschafft“, so Drescher. Unterstützt von der IG Metall Mannheim und dem Team des Gemeinsamen Erschließungsprojekts GEP schafften sie es, den Organisationsgrad innerhalb weniger Monate auf deutlich über 50 Prozent zu steigern. „Das hat funktioniert, weil wir ganz anders aufgetreten und auf die Leute zugegangen sind“, meint die Betriebsratsvorsitzende. Bei Betriebsrundgängen, Toraktionen und aktiven Mittagspausen wurden Gespräche geführt, die Belegschaft konnte abstimmen, ob ihr der T-ZUG wichtig ist und ob sie bereit wäre, gemeinsam mit IG Metall und Betriebsrat etwas dafür zu tun.

Anfang 2019 waren dann gut 60 Prozent der ART-Beschäftigten in der IG Metall organisiert. „Der Arbeitgeber hat gemerkt, dass wir es ernst meinen.“ Anfang Mai war die Einigung unterschrieben: Der T-ZUG kommt, zunächst in abgespeckter Version und ab 2021 komplett. „Für uns ist das ein Super-Ergebnis“, sagt Petra Drescher. Die wichtigste Lehre ist für sie: „Wenn nur sieben Betriebsräte vom Arbeitgeber etwas verlangen, wird der nichts tun, wenn er nicht will. Wenn aber die halbe oder im besten Fall die ganze Belegschaft vor der Tür steht und sagt: ‚Das machen wir nicht mehr mit‘, dann läuft das auch.“
Thermamax-Belegschaft kämpft für faire Bezahlung
2015 konnte die IG Metall bei Thermamax in Mannheim erstmals einen Haustarifvertrag abschließen. Jetzt kämpfen die rund 370 Beschäftigten für ein transparentes und faires Entgeltsystem.
„Was soll ich machen, wenn die Geschäftsleitung auch mir einen Aufhebungstarifvertrag anbietet?“; „Kann ich, wenn ich einmal in der Vertrauensarbeitszeit bin, auch wieder raus?“ Und immer wieder: „Wann bekommen wir endlich ein transparentes Entgeltsystem?“ Irfan Mercik und seine Betriebsratskolleginnen und -kollegen beim Mannheimer Unternehmen Thermamax sind im Dauerstress: 16 Betriebsratsratssprechstunden führen sie heute durch, jeweils im 60-Minuten-Takt, zwischen 7 und 18 Uhr. Viele der Fragen und Probleme in den verschiedenen Abteilungen ähneln sich. Ähnlich ist auch die Botschaft, mit der sie jede Betriebsratssprechstunde beenden: „Ja, wir können hier sehr viel zum Besseren verändern. Doch das funktioniert nur, wenn die IG Metall bei Tmax noch stärker wird.“
Rund 370 Beschäftigte, die Hälfte davon Angestellte, 65 Leiharbeitnehmer/innen, entwickeln und fertigen im Mannheimer Süden Integraldämmungen und Isolierungsverkleidungen für Motoren von Kreuzfahrtschiffen, Pkw, Lkw oder Mähdreschern. Die Auftragsbücher sind voll. Die Belegschaft wächst seit Jahren. Doch lange wurden die Beschäftigten kaum am Unternehmenserfolg beteiligt.
Seit ein paar Jahren versuchen IG Metall und Beschäftigte etwas zu ändern
Mit beachtlichem Erfolg. Binnen kurzer Zeit gelang es, in der bisher komplett unorganisierten Belegschaft eine stabile und durchsetzungsstarke IG Metall-Basis zu entwickeln. So schafften sie es, 2015 einen Haustarifvertrag durchzusetzen und seitdem erheblich zu verbessern. Der nächste Schritt soll das Entgeltsystem sein. Das ist bitter nötig. Denn über Höhe von Lohn und Gehalt entscheidet vielfach nicht die Tätigkeit, sondern die Verhandlungsposition des einzelnen Beschäftigten. Entsprechend intransparent und ungerecht ist die Bezahlung.
Das Problem: Im August 2017 wurde Thermamax vom langjährigen Eigentümer an einen Schweizer Finanzinvestor verkauft. Seither wird der Gegenwind stärker. Das Management lehnt das von IG Metall und Beschäftigten vorgeschlagene Entgelt-Rahmenabkommen (ERA) kategorisch ab. Dass das Management zudem versucht, elf Beschäftigte mithilfe von Aufhebungsverträgen aus dem Unternehmen zu drängen, zeigt, welcher Wind gerade bei Thermamax weht. „Die Verunsicherung in der Belegschaft ist riesig“, sagt Betriebsrat Mercik.
Die Betriebsratssprechstunden bilden den bisherigen Höhepunkt
Doch anstatt sich einschüchtern zu lassen, gingen Metallerinnen und Metaller in die Offensive. In einer Umfrage, an der sich 248 Kolleginnen und Kollegen beteiligten, sprachen sich 96 Prozent für die Einführung eines erprobten Entgeltsystems aus. Allein seit Jahresbeginn sind 40 Beschäftigte in die IG Metall eingetreten. Die Betriebsratssprechstunden bilden den bisherigen Höhepunkt.

Und sie sind Teil von etwas Größerem: Dem „Organizing-Blitz“ der IG Metall Mannheim und des gemeinsamen Erschließungsprojekts (GEP) des Bezirks Baden-Württemberg und ihrer Kampagne „Wir in Mannheim – Gemeinsam stark!“ Vom 14. bis 16. Mai haben 200 ehren- und hauptamtliche Metallerinnen und Metaller in 16 Betrieben mit verschiedenen Aktionen die Sorgen und Nöte der Beschäftigten thematisiert und den Arbeitgebern Forderungen unterbreitet: Vom Tarifvertrag bis zur Standortsicherung.
„Ohne diese Unterstützung hätten wir die Sprechstunden niemals durchführen können“, so Mercik. Sein Fazit: „Die Aktion war ein voller Erfolg: Die Belegschaft ist noch einmal enger zusammengerückt und steht hinter der Forderung.“ Der Beleg: Etwa 30 weitere Eintritte. Macht die Belegschaft weiter Druck, wird die Geschäftsführung ihre Blockadehaltung nicht mehr lange aufrechterhalten können.